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Uncle Dan’s Thanksgiving Day Parade 2018 – aus der Sicht eines «Infiltrierten».
Chicago, November 2019 – Mit über 70 Musikern hat die Polizeimusik Zürich-Stadt während der Thanks-giving-Feierlichkeiten in Chicago brilliert. Mit der Teilnahme an der traditionellen Parade am Donnerstag, einem viel beachteten Auftritt im lokalen Fernsehsender WGN9, verschiedenen Konzerten an ausgewählten Plätzen und einem Schlusskonzert auf dem stark frequentierten Christkindlmarkt hat sie Hundertschaften von Menschen mit ihrer Musik begeistert. Begleitet von der Alphornvirtuosin Lisa Stoll wurden traditionelle Stücke mit Hollywoodmelodien und Weihnachtsliedern kombiniert. Für Musikdirektor Marcel Sennhauser endete in Chicago sein Engagement als Dirigent des Spiels, welches 16 Jahre zuvor am gleichen Ort begann.

Ich gebe es vorne weg gerne zu: ich spiele kein Instrument, war aber gleichwohl ein stolzes, temporäres Mitglied der Polizeimusik Zürich-Stadt auf dieser Reise nach Chicago. Infiltriert in das Sousaphon-Register trug ich dieses beeindruckende Instrument durch die Stadt am Lake Michigan, tat an den Konzerten so, wie wenn ich es vollends beherrschen würde und gliederte mich mit Freude in das disziplinierte Auftreten der 5 Männer ein. Kurzum: im Land, das in den letzten Jahren den Begriff «Fake News» prägte, blieb ich als «Fake Sousaphon» praktisch unerkannt.

Die Polizeimusik  Zürich-Stadt  begeistert Chicago

Marsch durch die Statestreet.

Vor 16 Jahren war die Polizeimusik Zürich-Stadt schon einmal Teil der Thanksgiving-Feierlichkeiten in Chicago. Für einige der treuen Musikantinnen und Musikanten war es bereits das zweite Mal, dass Sie in die «windy City» flogen und das landesweit zweitgrösste Spektakel (nach New York) an diesem für Amerika typischen Festtag mitmachten. Die 8-tägige Reise war denn auch neben der eigentlichen Parade mit einigen Auftritten an speziellen Orten gespickt. Im Lincoln Zoo (bei starken Winden und vor zahlreichen Schulklassen), im Naturhistorischen Museum (bei viel Hall und vor einem ausgestopften Elefanten), im grössten Saal des Sheraton Hotels (vor 800 essenden Umzugsteilnehmern aus zahlreichen Ländern) oder auf dem Christkindlmarkt (mit Nikolauskappen und nachträglich verdientem Glühwein) – gross und klein waren begeistert von den Stücken, die Musikdirektor Marcel Sennhauser mit sehr viel Fingerspitzengefühl ausgesucht hatte: von amerikanischen Märschen über Weihnachtslieder hin zu Stücken, welche die einzelnen Register (vor allem das Trompetenregister) prächtig in Szene setzen. Lisa Stoll war mit zwei wunderbaren Alphornstücken und einigen Soli ein viel beachtetes, typisch schweizerisches Element, das zu begeistern wusste.

Der Auftritt beim Fernsehsender WGN9 (ich habe mich erkundigt, das heisst: World Greatest Newspaper – ist aber ein Fernsehsender!?!) gelang besonders eindrücklich. Der für den Aufmacher der Sendung live übertragene Marsch einer Kleinformation quer durch das Studio des «lokalen» Senders, der 73 Millionen Menschen erreicht, war in den Sozialen Medien ein viel kommentiertes Sendeteil.

Die Polizeimusik  Zürich-Stadt  begeistert Chicago

Letztes Konzert von Marcel Sennhauser am Christkindle Markt.

Die Wirkung dieses Auftritts folgte auf dem Fuss: Die Begeisterung über den tadellosen Auftritt und das qualitativ hochstehende Korps aus Zürich hat mit Videos und Berichten in den Medien Chicagos aber auch in der Heimat zu zahlreichen Erwähnungen in TV, Print, Twitter, Instagram und Facebook geführt. Der Auftritt war beste Werbung für die Schweiz, für Zürich und die Polizei aber schlussendlich auch für das Musikkorps selbst.

Für Musikdirektor Marcel Sennhauser war es die letzte Reise mit der Polizeimusik Zürich-Stadt. Entsprechend emotional fiel auch das letzte Konzert auf dem Christkindlmarkt aus. Mit dem Sechseläutenmarsch (er mochte seinen Lieblingsmarsch «Inf Rgt 27» nicht auswählen, da es ihn sonst vollends mitgenommen hätte) forderte er sowohl Spiel wie auch Tambouren in gewohnter Manier ein letztes Mal. Danach war Schluss und Marcel Sennhauser reicht nach 16 Jahren grossartigen Engagements den Dirigentenstab an Werner Horber weiter. Dank der freundschaftlichen Beziehung zwischen Marcel Sennhauser und Felix Zehnder, Musikchef der Zunft zur Waag, fand die Zunft nach der Trennung ihres Zunftspiels 2011 die Polizeimusik Zürich-Stadt als Nachfolgerkorps.

Nun noch die persönliche Beurteilung eines «Infiltrierten»: begeistert hat mich nicht nur der Geist, der in diesem Verein herrscht, die Freude an der Musik, die Disziplin (nicht nur die spezielle Disziplin des Sousaphon-Registers), die herzliche Aufnahme von Schlachtenbummlern und Aushilfen sowie die herausragende Organisation von Markus Baumann und seinem Organisationskomitee.

Die Polizeimusik  Zürich-Stadt  begeistert Chicago

Viraler Fernsehauftritt in den WGN9 News-Studios.

Beeindruckt war ich von der unglaublichen Wirkung des Spiels auf Zuschauerinnen und Zuschauern bei ihren Auftritten, dem starken Zusammenhalt von Polizeikorps über Ländergrenzen hinweg (während des Aufenthalts wurde ein Polizist erschossen worauf die Ehrendamen an der Parade kurzfristig Trauerflor organisierten) aber auch von der Tatsache, dass jede Musikantin, jeder Musikant, die Tambouren, Ehrendamen und Fähnriche jederzeit wussten, was sie zu tun hatten, um die Polizeimusik Zürich Stadt als starke Einheit zur Geltung zu bringen.

Ich durfte zahlreiche spannende Menschen und ihre Aufgaben kennenlernen. Beispielsweise erfuhr ich, dass vermutlich die besten Cheescakes nicht in Amerika sondern bei Ehrendame Angela Randegger (www.angiescheesecake.ch) zu haben sind, dass die persönliche Beziehung des Musikoffiziers André Beck und des Ehrenpräsidenten Markus Baumann zu Paradendirektor Philip K. Purevich ausschlaggebend sind, dass die Polizeimusik vielleicht noch einmal eingeladen wird oder dass Ruedi Wenger erst mit 53 lernte, Posaune zu spielen und heute dieses Instrument in einem der besten Korps der Schweiz spielen kann (das machte mir Mut, doch noch Sousaphone spielen zu lernen – ich bin heute gleich alt …).

Ich danke allen sehr herzlich für diese tolle Erfahrung und die grandiose Aufnahme im Team, insbesondere dem Sousaphon-Register, das mir immer das Gefühl gab, ich sei einer von ihnen – einfach mit weniger Talent und vor allem ohne Puste.

Text: René Kalt, Bilder: Maggie & Christian Kuster, Roland Benguerel